Startseite | Impressum | Zeitung | Beiheft | Archiv nach Autoren | Archiv nach Rubriken








Zeitung << 2/2010 << Impressionen aus Regensburg


Impressionen aus Regensburg
Die Bayern und ihr Dialekt

Autorin: Szabina Varga

Die meisten Studierenden, die mit einem Austauschprogramm in Regensburg studierten, wussten davor wahrscheinlich kaum, was in der ostbayrischen Stadt abgeht. Vor der Abgabe der Bewerbungsdokumente trifft man schwer eine Entscheidung und vielen schwebt nur vor Augen, wie groß die Stadt ist – hoffentlich nicht so groß wie Berlin –, wie berühmt und schön die Uni ist, welche Studierenden schon dort studierten, wie es dort mit dem Wetter ausschaut, wie weit es von Ungarn entfernt ist oder ob es dort überhaupt Partys und nette Leute gibt? Man könnte natürlich alle diesen Fragen sehr positiv und problemlos beantworten. Für mich spielten aber nicht nur diese Fakten eine entscheidende Rolle.

Regensburg liegt in einer wunderschönen Gegend im Freistaat Bayern, nicht weit weg von allem, was das Herz begehrt. Wenn man das Wort Bayern hört, assoziiert man damit gleich Lederhosen, Bier, Autos und einen furchtbar komischen Dialekt, den selbst andere Deutsche kaum verstehen.
Angekommen im schönen mittelalterlichen Regensburg sollte sich kein_e Austauschstudent_in erschrecken. Wenn man zum ersten Mal versucht in der Bäckerei Brötchen zu kaufen, wird einem klar, dass es hier nur Semmel gibt. Nach ein paar Versuchen entdecken die armen Student_innen: Ich verstehe ja gar nichts von diesem fiesen Dialekt! Und tatsächlich hatte Wikipedia Recht, es ist wirklich „Regnschburg“!Das nächste Mal ist man aber nicht mehr so herzlich willkommen, wenn man wieder mit Guten Tag grüßt, und sich mit Tschüss verabschiedet. Dort ist es nämlich nicht gang und gäbe.
Die Bayern grüßen einander mit „Grüß Gott!“, „Servus“ oder „Grüß dich!“. Noch merkwürdiger ist aber, wie sie sich verabschieden: „Pfiagood!“ oder „Pfiaddi“ (Behüt Sie/dich Gott) wird immer verwendet. Nicht nur Ältere, sondern auch alle, egal ob Punks oder schick gekleidete Frauen in den teuren Einkaufstraßen können ihr Herkommen nicht verleugnen. Wenn man nur Kleinigkeiten zu erledigen versucht, die mit Sprecher_innen dieses Dialekts zu tun haben, erkennt man die fehlenden Lücken, über die bis jetzt an der Heimatuniversität nicht gesprochen wurde. Es ist nicht gerade einfach, und die Kommunikation mit bairischen Muttersprachlern kann auch nicht vermieden werden. Die meisten Bewohner sind aber sehr freundlich und hilfsbereit, mit der Zeit gewöhnt man sich schnell daran. Am Ende kann es doch passieren, dass man das Bairische sehr gern hat.

Hochdeutsch und Dialekt
Natürlich sprechen alle Hochdeutsch, wenn sie es wollen. Dies wird auch an der Universität Regensburg unterstützt. Schon am Anfang betonten die Dozent_innen, dass sie sich dafür entschuldigen, falls wir sie nicht „gscheid“ verstehen. Auch im Sprachgeschichteseminar wurde ich in jeder Sitzung auf erstaunliche Unterschiede aufmerksam, die zwischen dem Bairischen und dem Hochdeutschen existieren. Diese Unterschiede ergeben sich nicht nur durch die Aussprache, sondern sind auch im Bereich der Lexik und natürlich der Grammatik zu finden. Man darf sich aber deswegen nicht so viele Gedanken machen. Die Bayern sagen: Wenn man das bairische Wort für Eichhörnchenschwanz – „Oachkatzlschwoaf“ – aussprechen kann, hat man die Sprachprüfung erfolgreich bestanden.
An der Universität Szeged wird natürlich nicht selten betont, dass die Variante nur in Österreich oder in Süddeutschland existiert, dass diese Form nur in Süddeutschland gehen würde, diese Wörter nur dort verwendet würden usw. Man macht sich aber keine weiteren Gedanken, soll ich das jetzt wirklich lernen, ist es nützlich oder nicht? Im Hochdeutschen ist es sowieso nicht nötig, es schadet aber zumindest nicht, zu wissen, dass es kein Hochdeutsch ist. Wer weiß, wann man wieder da hinkommt. Und warum es sich trotzdem lohnt, die Umgangssprache wenigstens zu verstehen? Nirgendwo in Deutschland gibt es einen Ort, wo fließendes Hochdeutsch im Alltag gesprochen wird. Wenn man sich schon an den Dialekt gewöhnt hat, lohnt es sich natürlich, sich die bayerische Küche näher anzusehen. Am Internationalen Tag, der für Austauschstudent_innen organisiert wurde, wurden wir herzlich mit jeder Art von Bier und Schweinsbraten mit Kartoffelknödeln empfangen.

Bayerische Spezialitäten im Dialekt
Die Spezialitäten haben natürlich auch alle ihren bayerischen Namen. Auf der Regensburger Maidult – das ist ein Volksfest ähnlich dem Oktoberfest, nur viel kleiner, das jedes Jahr im Mai etwa zwei Wochen lang gefeiert wird – sieht man überall Männer in Lederhosen und Frauen im „scheenan Dirndl“ (schönen Trachtenkleid) herumlaufen. Selbst Austauschstudent_innen zogen bayerische Trachten an. Tafeln und Karten mit den Aufschriften typisch bayerischer Spezialitäten locken in die Lokale, wo man eine Maß trinken, Brezn und Schweinshaxn essen kann. Bei der Auswahl der Gerichte hat man Probleme, weil man selbst die Namen der Gerichte aus dem Bairischen ins Hochdeutsche übersetzen muss. Zum Beispiel Hendl (Hähnchen), Lewakaas (Leberkäse), Kren (Meerrettich), Radi (Rettich) oder eventuell Spezi. Das Letzte ist ein sehr beliebtes Mischgetränk aus Cola und Orange. Besonders auffällig ist die Verwendung der Ausdrücke „gä“ und „bassd scho“. Sie sind so oft in der gesprochenen Sprache verwendet wie ja und nein.
Während meines Aufenthalts fand ich am lustigsten „die Bayern ihren Dialekt“. Für mich hat es sich gelohnt, einen Dialekt kennenzulernen. Freilich werd‘ ich bald wieder kommen, ich hab‘ Bayern, das Bairische und sogar einen Bayern in mein Herz geschlossen, und jetzt fällt’s mir ein, „Sauwetter gab‘s ja aa net“.