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Zeitung << 2/2010 << Der Weg von Rostock nach Szeged


Der Weg von Rostock nach Szeged
Anette Gyuris, eine deutsche Lektorin im Tömörkény Gymnasium in Szeged

Autoren: Márk Besír, Szabolcs Nuszpl

Was kann jemanden dazu bringen, seine Heimat zu verlassen und in ein fremdes Land zu ziehen? Sicherlich haben schon viele diese Frage an Ausländer gestellt und die verschiedensten Antworten bekommen. Im Falle von Anette Gyuris war es die Liebe.

Annette Gyuris studierte an der Universität Rostock Germanistik und Literaturwissenschaft. 1982 lernte sie ihren jetzigen ungarischen Mann kennen, der übrigens an einer ungarischen Universität ungarische Literatur studierte. Der Mann hatte vom ungarischen Ministerium ein Stipendium bekommen, um in der DDR zu studieren. Aber er musste nach dem Stipendium nach Ungarn zurück. 1983 folgte Anette Gyuris ihrem jetzigen Ehemann.
Anfangs arbeitete sie an der Hochschule in Szeged, aber seit zehn Jahren ist sie als Lektorin im Tömörkény Gymnasium tätig. Daneben hielt sie auch Stunden an der Uni Szeged, aber seit zwei Jahren macht sie das nicht mehr. Im Tömörkény lehrt sie Deutsch und Zivilisation. Wir waren sehr neugierig, was sie unter dem Fach Zivilisation versteht. Frau Gyuris erklärte uns, dass dieses Fach sich mit verschiedenen Bereichen des Lebens beschäftigt, und zwar mit Politik, Wirtschaft, Geographie, Kunst, Literatur, Umwelt und mit verschiedenen Festen und Bräuchen der deutschsprachigen Länder usw. Leider sind die Schüler_innen daran nicht so interessiert, obwohl die ungarischen Schüler_innen motivierter sind als die deutschen, äußerte sich Anette Gyuris. Die Motiviertheit kann vielleicht an der Aussichtslosigkeit der ungarischen Schüler liegen, denn sie bekommen auch im Alltagsleben überall zu spüren, dass sie etwas nur mit harter Arbeit erreichen können, meint sie. Darunter versteht sie, dass man für denselben Job in Deutschland mehr Geld bekommt als in Ungarn. So ist das Ziel der Schüler in Ungarn einen solchen Arbeitsplatz zu bekommen, wo sie das größtmögliche Gehalt verdienen können.
Danach fragten wir sie, was sie über Ungarn und Szeged denkt. Ungarn gefällt ihr gut, weil die ungarische Küche sehr vielseitig und reich ist, im Gegensatz zu der deutschen. Sie findet die ungarische Mentalität sehr angenehm. Aber in der Hauptstadt würde sie nicht leben, denn sie ist für sie zu chaotisch und sie würde sich bestimmt verlaufen, sagt sie lächelnd. Aber Szeged gefällt ihr sehr gut, man kann alles schnell erreichen und auch im Alltagsleben hat sie keine Kommunikationsprobleme.
Und obwohl das Gehalt eines Lehrers in Deutschland sechsmal so hoch ist wie in Ungarn, will sie nicht nach Deutschland zurückkehren.
Das Tömörkény Gymnasium ist bestimmt dankbar dafür, dass Anette Gyuris als einzige deutschsprachige Lehrerin den Lehrkörper verstärkt und so die Schüler die Möglichkeit haben, die deutsche Sprache von einer muttersprachlichen Lehrerin erlernen zu können.