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Zeitung << 1/2011 << Das Nationalgefühl der Deutschen


Das Nationalgefühl der Deutschen
Eine Frage des Gefühls

Autorin: Erzsébet Lippai

Meiner Meinung nach ist das Nationalgefühl ein natürliches, gegebenes Gefühl – nämlich zu einem Volk zu gehören, in das man geboren wurde und auf dessen Erbe und Eigentum stolz zu sein. Ich denke, das besitzt allgemeine Gültigkeit, denn jedes Volk hat auch sein Gutes hervorgebracht. In diesem Guten erkennt man die Nationen mit den für ihre Menschen typischen Eindrücken wieder. Denken wir an das alte China oder die griechische Architektur. Sie machen unsere Welt bunter und bereichern unsere Fantasien. An diesen Beispielen sieht man auch, dass früher diese Eigen- und Besonderheiten viel deutlicher an den Tag traten, die nunmehr im Zuge der Globalisierung zu schwinden beginnen. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der es – im wahrsten Sinne des Wortes – nur eine Sicht der Dinge gibt. Deshalb finde ich es wichtig, dass jeder Nation ein Selbst-bewusstsein gegeben ist und sie ihre Traditionen wahren kann. Das geht aber nur, wenn es Stolz empfindet, denn er allein bindet an die Wahrung.
Ich war sehr überrascht, als eine deutsche Bekannte mir mal erzählte, dass es für Deutsche seit dem Zweiten Weltkrieg nicht selbstverständlich ist, stolz auf ihre Nationalität zu sein. Ich bin damit nicht einverstanden, denn die Deutschen haben sehr viel Gutes zustande gebracht, und sie haben selbst viele gute Eigenschaften. Stellen wir uns zum Beispiel vor, wie weit wir Ungarn kämen, wenn wir so pflichtbewusst und präzise wären wie die Deutschen, oder zumindest die Bayern.
Aufgrund meiner Überraschung kam ich auf die Idee, ein paar Deutsche Folgendes zu fragen: Was glaubst du, wie stolz sind die Deutschen auf sich selbst? Wie ist deine Meinung? Was wäre deiner Ansicht nach die richtige Einstellung?

Monika und Marlene (17 und 19)
Monika: „Oh Gott, das weiß ich nicht. Stolz?! Nee, also stolz sein, glaube ich, ist schwierig mit Hitler und so ...Wir müssen aufpassen, dass die Rechten nicht wieder anfangen mit ihrem Zeug.“
Marlene: „Ja, finde ich auch. Aber das Sommermärchen war geil“ (Als Sommermärchen wird die Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 bezeichnet, als das jüngste Team der Weltmeisterschaft, nämlich die Deutschen, bis ins Halbfinale kamen und schließlich den dritten Platz belegten. Das ganze Land war eine einzige Party.)
Monika: „Oh ja, das war total geil. Da haben wir uns schwarz-rot-gold angemalt, und die Marlene hat sich sogar eine Flagge als Minirock angezogen.“
Marlene: „Und alle haben kleine Fähnchen an ihren Autos gehabt. Und gesungen „54 74 90 2006“ (Dieses Lied beinhaltet die Weltmeisterschaften mit Deutschland als Sieger: 1954, 1974 und 1990. 2006 sollte eben der nächste Titel werden.) Das war schon sehr schön. Ich fand es total toll.“
Monika: „Gerade auch mit den deutschen Fahnen und so. Könnte öfter kommen.“

Johannes (26 Jahre)
„Ich glaube, dass Deutschland in Technologien führend ist – wie Siemens zum Beispiel, wo ich arbeite. Und ja, ich denke, darauf kann man schon stolz sein. Ansonsten … schwierig. Ich weiß nicht, aber ich glaube nicht, dass man so als Ganzes stolz sein kann, dafür ist halt zu viel passiert. Wie es richtig sein sollte, keine Ahnung.“
Aloisia (76 Jahre)
„Stolz darf man nicht sein, genau das Gleiche haben sie uns damals auch gesagt. Das geht nicht gut aus. Man muss für sich entscheiden, was Gut und Böse ist. Das darf man sich als junger Mensch nie aufhören zu fragen – das ist die richtige Einstellung.“

Hans (65 Jahre):
„Schwierige Frage. Vermutlich liegt das am geschichtlichen Hintergrund. Doch ich denke schon, dass die Deutschen stolz auf sich sind. Da ist der Michael Schuhmacher oder jetzt der Sebastian Vettel, die jeder oder fast jeder auf der Welt kennt. Oder die (Heidi) Klum mit ihren Supermodels.“

Claudia (24 Jahre):
„Also wenn ich ehrlich sein soll, kotzt mich die Frage auch schon an. Was heißt deutsch? Ich glaube, in den wenigsten Köpfen Deutschlands gibt es ein deutsch als Vokabel. Wie kann man da die Frage auf Stolz erweitern? Ich finde, gerade die Weltmeisterschaft 2006 hat gezeigt, dass da ein Bedürfnis ist, sich als eine Einheit zu zeigen. Und dann geistert da noch im Unterricht das Volk der Dichter und Denker umher. Aber so würde sich hier niemand sehen. Das ist alter Käse. Also was sind wir? Keine Ahnung. Wahrscheinlich auf dem Weg.“

Interessant ist, wie viele der eigentlichen Frage ausgewichen sind. Auch das ist irgendwo eine Antwort, denke ich. Dieser Artikel ist nicht das Ergebnis einer großen Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts. Ich konnte nur einige Stimmen zu dem Thema einfangen. Von diesen kann ich sagen, dass sie aus Bayern stammen. Letztlich muss man zu dem Schluss kommen, dass mein Artikel kein objektives Bild vermitteln kann, aber umso mehr zum Nachdenken anregen darf. Und ich würde mir wünschen, dass jeder Nation die Möglichkeit und die Anerkennung gegeben wäre, ihre eigene Kultur zu leben.