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Zeitung << 1/2011 << „Wo die Raben noch über Burgen fliegen“
„Wo die Raben noch über Burgen fliegen“
Mittelalterflair auf Burg Rabenstein in der Fränkischen Schweiz
Autorin: Erzsébet Lippai
Wie in einem Traum fahren wir die alte Burgenstraße 470 entlang, die uns mitten durch das Herz der Fränkischen Schweiz führt. Die Sonne steigt schon am Himmel auf und verspricht uns einen heißen, wolkenlosen Tag. Noch schützen uns die Schatten der Hügel, auf denen wir die ersten Burgruinen Neideck und Streitberg sehen. Wer schon in Bayern gewesen ist, kennt die deutsche Sorgfalt, mit der die alten Gebäude und Stadtteile erhalten werden. Wir haben uns heute vorgenommen, Burg Rabenstein und seinen Mittelaltermarkt zu besuchen. Dieser findet zweimal im Jahr statt.
Der älteste Teil der Burg entstand Ende des 12. Jahrhunderts, erbaut durch das Geschlecht der Rabensteiner. Seitdem wurde die Burg mehrmals zerstört und wieder aufgebaut, unter anderem 1490 und während des Dreißigjährigen Krieges. Die Burg wechselte auch ihre Besitzer, doch die Rabensteiner konnten sie zurückerwerben. 1742 starb der letzte der Rabensteiner, und die Burg ging an die Grafen von Schönborn-Wiesentheid, die die Burgruine für einen Königsbesuch 1830 umgestalteten. Heute ist Burg Rabenstein restauriert und ein Hotel für Eventveranstaltungen und Tagungen. Daneben befindet sich auch eine Falknerei mit über 80 Greifvögeln und einer Forschungsgruppe.
Hinter einer Kurve steht plötzlich die Höhenburg im Licht der Sonne vor uns. Am Fuße der Burg sehen wir Schafe, die aus Schutz vor der Hitze im Schatten des Felsens fressen. Wir können Gott sei Dank unseren Wagen auch hier parken. Ein schmaler Weg führt uns steil zur Burg hinauf. Auf dem Weg liegt die Sophienhöhle: Sie ist eine der schönsten aktiven Tropfsteinhöhlen in Deutschland. Wir kaufen uns eine Eintrittskarte und sind erst einmal überrascht, wie kalt es in der Höhle ist. Hier finden auch oft Konzerte mit Lichteffekten statt: „Sophie at night“.
Die Burg und die Falknerei
Unser Weg führt uns weiter zur Burg. Im Festsaal des heutigen Hotels kann man echte Rüstungen und Waffen bestaunen. In der Mitte steht ein runder Tisch mit einer vollständigen Ritterrüstung. Neben Schwertern gibt es auch Schusswaffen aus dem Dreißigjährigen Krieg. Tatsächlich feiert man in diesem Saal Hochzeiten, was mir gefällt – richtig romantisch, von Rittern umgeben. Aber jetzt müssen wir schnell zur Flugvorführung der Falknerei. Karten haben wir nämlich schon gekauft. Über unseren Köpfen fliegen die schönsten Raubvögel, die es in Europa gibt: vom kleinen Habicht bis zum mächtigen Steinadler, dem Wappentier Deutschlands. Er ist ein riesiger Vogel und kann auch Schäferhunde töten und fressen. Er soll oft Füchse töten. In den Volieren sehen wir auch Eulen und Harpyien.
Der Mittelaltermarkt
Weiter geht es zum Mittelaltermarkt. Hier tauchen wir in eine völlig andere Welt ein. Am Eingang wird ein ganzes Schwein am Spieß gedreht. Auf der anderen Seite duftet frisches Brot aus einem Holzbackofen. An der Straßenecke rührt man in einem Kessel über dem Feuer dampfendes Kraut. Wir versuchen erst gar nicht zu widerstehen. Ich kaufe mir ein „Stockbrot“ und meine Brüder entscheiden sich für ein riesiges „Schweinebraten-Weckla“. Dazu gibt es „Met“. Das ist ein Wein, der aus Honig gemacht wird. Die Deutschen sagen, dass es das Getränk der Götter sei. Ich muss sagen, sie haben Recht. Aber es gibt noch so viel zu sehen.
Es gibt Gaukler auf Stelzen und ein Puppentheater für die Kinder. Das Glückspiel darf nicht fehlen, auch nicht im Mittelalter. Wir setzen unser Geld auf ein „Mäuselos“. Eine echte Maus wird freigelassen und rennt in ein Haus. Wir haben auf das richtige Haus gesetzt und gewonnen, nämlich einen Edelstein. Im Hintergrund auf der Bühne spielen Musiker auf alten Instrumenten wie der „Schalmeie“, eine Art mittelalterlicher Flöte. Die Stimmung ist gut, der Met wirkt schon. Gerade richtig für das Bogenschießen. Wir dürfen mit echtem Pfeil und Bogen auf große Kunststofftiere schießen.
Es gibt auch einen Doktor, der die Gäste heilt. Meinem Bruder hat er auf dem offenen Marktplatz einen Hirntumor operiert. Es floss dabei viel Himbeersaft, leider auch auf seine Hose. Der Schausteller war aber sehr nett, es tat ihm furchtbar leid. Dafür durften wir ein paar mittelalterliche Arztwerkzeuge anschauen.
Die vielen Buden geben einen Einblick in längst vergessene Handwerkskünste und Berufe. Da gibt es den Schmied, der einen sogar an sein Feuer lässt. Er macht auch wunderschönen Schmuck aus Eisen: Broschen, Ohrringe und Amulette. Daneben hat ein Maskenmacher sein Zelt aufgebaut. Er macht Masken, wie sie in der Zeit der großen Pest gebraucht wurden, aber auch venezianische Masken aus dem späten Mittelalter hängen an seiner Decke. Mir sträuben sich die Nackenhaare, als ich die Pestmaske aufsetze. Ein paar Schritte weiter sitzt ein Löffelschnitzer am Straßenrand. Teller und Besteck aus Holz stapeln sich auf seinem Verkaufstisch. Er erzählt dabei, dass die Gabel im Mittelalter nie zum Essen benutzt wurde. Sie war durch die drei Zinken das Symbol des Teufels. Deshalb gab es den „Esssporn“, den er uns auch zeigt.
Das Schöne an diesem Mittelaltermarkt ist, dass er so authentisch wirkt. Ich konnte keinen Kunststoff auf dem gesamten Markt sehen, auch die Kleider waren aus natürlichen Textilien genäht. Zu diesem Markt werden nur geprüfte HändlerInnen zugelassen, um das Gesamtbild zu wahren. Es gab somit keine Metallica T-Shirts wie bei uns zu sehen! Die MusikerInnen, die SchaustellerInnen, die HändlerInnen und sogar ein großer Teil der BesucherInnen selbst erschienen in mittelalterlicher Kleidung. Ich finde, dass sogar ihre Gesichter und ihre Frisuren wie aus dem Mittelalter wirkten. Insgesamt war das eine sehr niveauvolle Veranstaltung. Ich kann es nur empfehlen. Der Eintritt ist auch nicht so teuer: sechs Euro für Erwachsene, drei Euro für Kinder. Wer auf dem Markt nicht satt wird, kann in anderen sehr guten Restaurants in der Fränkischen Schweiz essen gehen.
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