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Zeitung << 1/2011 << Deutschland: Land der Toleranz


Deutschland: Land der Toleranz
Persönliche Erfahrungen von der Studienreise

Autor: Péter Bozó

Immer mehr Ausländer kommen nach Ungarn, um hier zu studieren und ein Diplom zu bekommen. Kein Zufall, dass auch viele Araber, Deutsche, Türken, Schweden auf den Szegeder Straßen zu sehen sind. Die meisten Ausländer studieren in Szeged Jura, Medizin und Pharmazie. Im akademischen Jahr 2010/11 studierten an der Universität Szeged 255 Deutsche, 148 Iraner, 135 Israeli. Die hohe Zahl der ausländischen Studierenden ist in Deutschland auch nicht anders. Aber wie können sich die verschiedenen Kulturen miteinander vertragen?

Meine Eindrücke von Deutschland sind sehr positiv. Während der zehntägigen Studienreise konnte ich mich mit vielen AusländerInnen in Deutschland sehr gut und sehr viel unterhalten. Das einzige Problem war nur die gemeinsame Sprache. Entweder sprachen sie nicht sehr gut Deutsch oder sie hatten einen sehr komischen Akzent, durch den ich sie nicht sehr leicht verstehen konnte. Als ich mit Deutschen sprach, war es sehr nett von ihnen, dass sie mit mir Hochdeutsch sprachen, als sie erkannten, dass ich Ausländer bin.
Die meisten Ungarn lächeln über die Menschen, deren Muttersprache nicht Ungarisch ist. Viele AusländerInnen in Ungarn lernen jedoch Ungarisch und sie versuchen, unsere Sprache zu sprechen. So ist es auch in Deutschland mit dem Deutschen. Es war sehr interessant, dass viele Leute zu uns gekommen sind, um zu fragen, welche Sprache wir sprechen. Als wir verrieten, dass wir Ungarn sind, waren sie oft überrascht. Sie haben uns aber freundlicherweise öfter spontan erzählt, was sie über Ungarn wissen.
Eine Nacht haben wir eine Kneipe in Heidelberg besucht, wo wir auch ein Plakat mit der Überschrift „Ungarische Nacht“ entdeckt haben. Kurze Zeit davor wurde nämlich eine spezielle Party mit Ungarn, aber wahrscheinlich nicht nur für Ungarn, organisiert. Ist es wirklich so merkwürdig? In Deutschland ist es das nicht. Auf den Straßen in Deutschland, aber auch in den Jugendherbergen, wo wir gewohnt haben, haben wir auffallend viele Plakate mit dem Thema Toleranz gesehen. Im Bus hat sich ein Farbiger zu mir gesetzt, und es war natürlich kein Problem. Ist das auch in Ungarn genauso kein Problem?
Auch gegenüber Schwulen und Lesben verhalten sich die Deutschen anders als die Ungarn. Als wir einmal in Kassel auf der Straße einen Spaziergang machten, wurde ich auf eine Pride-Fahne auf einem Gebäude aufmerksam. Die homosexuellen Deutschen zeigen auch mit Vignetten auf Autos oder an Fenstern gern, zu welchem Kreis sie gehören. In Ungarn dagegen bekommen Schwule gewöhnlich eine harte Kritik. Sind sich die Kritiker dessen tatsächlich bewusst, ob das berechtigt ist? Man muss aber nicht schwul sein, um ausgegrenzt zu werden. Oft reicht es, wenn man zu schüchtern ist oder wenn man eben nicht jeden Abend in die Kneipe gehen und betrunken sein will.
Toleranz bedeutet jedem etwas anderes. Beim Treffen zwischen Kasseler und Szegeder Studierenden und DozentInnen empfing die Kasseler Germanistik unsere Delegation aus Ungarn mit einem netten Büfett an der Universität. Sollte jemand von uns einen eventuellen Vorurteil gegenüber Deutsche in Bezug auf ihr kühles Verhalten gehabt haben, musste er/sie das revisieren. Unsere deutschen GastgeberInnen waren sehr nett, und wir haben uns sehr wohl gefühlt. Für den freundlichen Empfang in Kassel können wir dem Organisator, Professor Vilmos Ágel, unseren Dank aussprechen.
Es gibt viele Dinge, die wir von den Deutschen lernen können. Jedes Land hat eine andere Kultur, aber diese Kulturen müssen friedlich nebeneinander leben, und die Menschen müssen mehr Toleranz haben, was wir auch auf dieser Studienreise gelernt haben.