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Zeitung << 1/2011 << Zweisprachiger Unterricht
Zweisprachiger Unterricht
Das Németh László Gymnasium in Hódmezõvásárhely
Autorin: Ulla Doden
„Das Leben ist zu kurz, um Deutsch zu lernen“, behauptet Oscar Wilde. Aber warum könnte es trotzdem sinnvoll sein? Am Németh László Gymnasium in Hódmezövásárhely wird zweisprachig gelernt. Es werden die Fächer Geschichte, Erdkunde, Mathe und Landeskunde bilingual unterrichtet. Ab der neunten Klasse haben die Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit, deutsch-ungarischen oder englisch-ungarischen Unterricht zu wählen.
In einer Geschichtsstunde heißt es in der Schule: „Hogy Sikerült Napoleonnak az 1848-as Franciaországi hatalomátvétel?“, „Wie gelang Napoleon Bonaparte die Machtübernahme in Frankreich 1848?“ oder „How did Napoleon Bonaparte succeed in taking over France in 1848?“
Im Geographie-Unterricht hört man hingegen: „Hogyan zajlik le egy vulkanánkitörés?“, „Was passiert bei einem Vulkanausbruch?“ oder „What is happening during a vulcanic eruption?“
Das Niveau in diesen Stunden ist bemerkenswert. Die Sprachvariationen zwischen dem Ungarischen und Deutschen bzw. Englischen fordern die Schüler in hohem Maße. Die Fähigkeit, den fachlichen Sachverhalt in zwei Sprachen zu beherrschen, ist eine besondere. Diese „ZWEIsprachigkeit“ erscheint in diesem Kontext von großer Wichtigkeit. Wird ein Fach ausschließlich in einer Fremdsprache unterrichtet, ist es nur sehr starken Schülern möglich, dem sprachlichen Niveau permanent zu folgen. Wird hingegen in die Muttersprache übersetzt, wenn Verständnisprobleme auftauchen, kann nichts Inhaltliches missverstanden werden. Mit dieser Methode können mehr SchülerInnen motiviert werden, sich für den zweisprachigen Unterricht zu entscheiden. Zugleich wird das Sprechen und Denken in der Fremdsprache zur alltäglichen Aufgabe, was eine unheimlich gute Übung ist. Das Geschichtsbuch beispielsweise ist in ungarischer Sprache, da die Inhalte zwischen den bilingualen und nicht-bilingualen Klassen dieselben sein müssen. Der Lehrer hat somit die Aufgabe, Handouts in der jeweiligen Fremdsprache zu entwerfen. Das selbst entworfene Material im Unterricht ist somit vorwiegend auf Deutsch oder Englisch. Um Verständnisproblemen vorzubeugen, wird das ungarische Geschichtsbuch hinzugezogen.
Attraktivität der deutschen Sprache
In Gesprächen mit den Schülern und Lehrern wurde deutlich, dass der Trend eher zur englischen Sprache geht als zur deutschen. Das Paradoxe daran ist, dass die Schule trotz der größeren Nachfrage fürs Englische keine Austauschmöglichkeiten ins englischsprachige Ausland anbietet. Es stehen lediglich die Städte Ulm und Orscholz in Deutschland zur Auswahl. Das Hauptanliegen der Schulleitung scheint daher die Ausbildung der deutschen Sprache zu sein. Zoltán Gábor und Balázs Versegi (11. Klasse) besuchen Ulm in diesem Frühling sogar zum zweiten Mal. Aber warum? Was ist so attraktiv an der deutschen Sprache?
In den derzeitigen Jahrgängen (9-13) sind es pro Jahrgang lediglich 6-16 Schüler und Schülerinnen, die dem deutsch-ungarischen Unterricht beiwohnen. Was motiviert diese SchülerInnen, sich so intensiv mit der deutschen Sprache zu befassen? Was sind ihre Zukunftspläne?
Viele der SchülerInnen der Oberstufe lernen bereits seit zehn bis elf Jahren deutsch. Schon in der Grundschule bekamen sie die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu lernen. Von David Bíró (11. Klasse) u.a. erfuhren wir, dass er es als leichter empfindet, zuerst Deutsch zu lernen und erst danach Englisch und Französisch. In Zeiten der Globalisierung sei es für sie als Ungarn wichtig, mindestens eine Fremdsprache zu sprechen. Auch wenn es nicht immer einfach ist. Deutsch als Grundlage für andere Fremdsprachen sowie der Blick auf Ungarns Arbeitsmarkt scheinen wichtige Motivationsgründe für die Jugendlichen zu sein. Denn die Pläne vieler Schüler zielen auf ein Studium in Deutschland ab. Es gab sogar Überlegungen, Ungarn ganz zu verlassen, um im Ausland zu arbeiten. Balázs befürchtet, dass er weniger Chancen im späteren Berufsleben haben wird, wenn er kein Deutsch lernt. Deswegen sieht er im deutsch-ungarischen Bilingual-Unterricht eine gute Möglichkeit, sich auf die Zeit nach der Schule vorzubereiten.
Aber auch in Ungarn sehen die Schüler und Schülerinnen ihre Chancen, zum Beispiel im Tourismusbereich. Bence Gaiser (11. Klasse) möchte in Budapest studieren und Ingenieur werden. Auch für diesen Beruf scheint es für ihn vorteilhaft, Deutsch zu lernen. Sogar in ihrer Freizeit beschäftigen sich die Schüler mit der deutschen Sprache. Máté Árva (Klasse 11) schaut beispielsweise gerne deutsche Filme/Serien („Die Welle“ oder „Derrick“). Aber auch auf Deutsch übersetzte Literatur, zum Beispiel „Twilight“, „Harry Potter“ scheinen sehr angesagt zu sein.
In den Gesprächen mit den Schülern konnten wir demnach keineswegs feststellen, dass das Lernen der deutschen Sprache zu sinnlos oder schwer ist, sondern, ganz im Gegenteil, Deutsch ein wichtiger Bestandteil im Leben der Schüler ist und zugleich auch als Basis für weitere Sprachen dienen kann. Die Schule macht regelmäßig Werbung für den bilingualen Unterricht, und man kann nur hoffen, dass sich in den kommenden Jahrgängen mehr motivierte junge Menschen finden, die ihren (Schul-)alltag zweisprachig gestalten möchten. Denn kein Leben scheint zu kurz zu sein, um neue Sprachen zu lernen.
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